| Dr. Heike Pöppelmann

Das ist aller Anstrengung wert:

Ein Museum zieht um!

Was bedeutet ein Museumsumzug? Schauen wir mal genauer hin: Büros, eine große Bibliothek, Archiv, Lager und Werkstätten…Fast 8.000 m² Fläche vom Keller bis zum Dachboden müssen im Braunschweigischen Landesmuseum am Burgplatz geräumt werden. Alles muss nun raus, weil das klassizistische Vieweghaus in den nächsten Jahren grundsaniert wird. Die Hauptrolle spielen dabei die rund 300.000 Kunstwerke und Objekte. Ein Fall für das M(useums)-Team! Die Möbelpacker kommen hierfür nicht von einer externen Firma, sondern das Museumsteam muss den Umzug selber planen, organisieren und mit anpacken.

Das Landesmuseum hat zehn Sammlungsbereiche, in denen Objekte rund um das Braunschweiger Land seit 129 Jahren gesammelt wurden. Als das Landesmuseum unter dem Namen Vaterländisches Museum 1891 gegründet wurde, stand die Geschichte der Region im Vordergrund. Das gilt bis heute. Es steht uns ein riesiger Fundus zur Verfügung, mit dem wir in die Vergangenheit zurückblicken können. Die Sammlungen dokumentieren Geschichte und Geschichten von Menschen, die seit 50.000 Jahren zwischen Harz und Heide gelebt haben. So können wir uns ein Bild machen, wie Erfahrung und Wissen den Lebensalltag oder verschiedene Formen des Zusammenlebens in Familie und Gesellschaft veränderte. Für alle, die im Museum arbeiten, ist es eine Herzensangelegenheit, die gesammelten Hinterlassenschaften für die nächsten Generationen zu dokumentieren und zu bewahren. Vor diesem Hintergrund hat das Team minutiös den Umzug in ein neues Depot seit rund zwei Jahren geplant. Das vierköpfige Organisationsteam und die fünf Restaurator*innen des Museums wurden in den vergangenen 12 Monaten von zehn Restaurator*innen aus unterschiedlichsten Fachrichtungen unterstützt, Steinrestaurator*innen für die Büsten- und Skulpturensammlung, Gemälde- und Papierrestaurierung für Grafik und Gemälde, Holzrestaurierung für Möbel und Spielzeug, Textilrestaurierung für bürgerliche Kleidung und Uniformen.

Das Maß aller Dinge ist die Europalette. 90 % lässt sich so verpacken, dass die Kartons und Kisten auf 120 cm Länge und 80 cm Breite gestapelt werden können. Mit dem Hubwagen wird die gepackte Palette vergleichsweise mühelos in den Aufzug und auf den LKW verladen. 400 Paletten und 50 Paletttürme finden so ihren Weg sicher und wohlbehalten in das neue Depot. Die Objekte sind in den Kisten und Karton so verpackt, dass sie sicher gepolstert und fixiert sind. Dabei gibt es Objekte, für die individuelle Lösungen konzipiert werden müssen, wie für barocke Bilderrahmen, für Gipsbüsten oder Schattentheater aus Papier. Auch für die Gemälde gibt es spezial angefertigte Transportkisten. Die Restaurator*innen sind dabei sehr findig und echte Verpackungskünstler*innen. Eine besondere Herausforderung bleiben die 10 % unter den Objekten, die besonders groß oder schwer sind. Dazu gehört eindeutig ein Trabant. Das 400 kg schwergewichtige Symbol der deutschen Wende musste mit purer Muskelkraft durch das Treppenhaus getragen werden. 12 Männer schleppten das Modell – Motor und Räder waren vorher abmontiert worden –  Stufe für Stufe in das Forum des Museums.

Geschätzte 100mal werden die Lastwagen vom Landesmuseum am Braunschweiger Burgplatz zum neuen Depot fahren. Der Transport startete am 26. Oktober und wird bis Mitte Dezember dauern. Wir haben fast jedes Objekt in die Hand genommen und die Bestände neu geordnet. Die konservatorisch anspruchsvollen Preziosen sind nochmals neu bewertet worden. Bei aller Anstrengung, die ein Museumsumzug mit sich bringt, haben wir die Sammlungen für die Zukunft neu bewertet, die Voraussetzungen zur systematischen Digitalisierung geschaffen und für uns neue Forschungsschwerpunkte gesetzt. Das Allerbeste ist jedoch, dass die Sammlungen nun in einem Depot gelagert werden, das optimale Bedingungen zur Erhaltung bietet. Damit auch die nächsten Generationen ihre Fragen an die Geschichte stellen können, um zu verstehen, wie sich Werte, Erkenntnisse und Prinzipien ausgebildet haben und welchen Wandlungen diese unterworfen waren und sind.

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