| Dr. Ralf Kosma

Jurassic Fish

Ein Millionen Jahre alter „Patient“ wird untersucht

Gelegentlich werden bei den Grabungen des Staatlichen Naturhistorischen Museums in etwa 180 Millionen Jahre alten Schichten des Posidonienschiefers im Braunschweiger Land seltene Schmelzschuppenfische gefunden. Diese Fische waren in den Meeren des Jura weit verbreitet. Gattungen wie Lepidotes, der bereits 1843 von Louis Agassiz beschrieben wurde, konnten erstaunliche Körpergrößen von bis zu circa 70 cm erreichen, während die hochrückigeren Exemplare der Gattung Dapedium deutlich kleiner blieben. Das hervorstechende Merkmal der Schmelzschuppenfische ist ihr namengebendes Schuppenkleid aus großen Ganoidschuppen. Alle Schuppen waren von einer Substanz überzogen, die dem menschlichen Zahnschmelz sehr ähnlich war. Schmelz gehört zu den härtesten biogenen, also von Lebewesen produzierten, Substanzen überhaupt und hat somit eine sehr gute Voraussetzung für die Fossilisation. Untereinander sind die Schmelzschuppen mit teils filigranen Gelenken mit den Nachbarschuppen verbunden und bilden eine Art „Kettenhemd“ wie bei einem mittelalterlichen Ritter. Und ebenso wie bei diesem haben sie eine Schutzfunktion: Das stabile und dennoch bewegliche Schuppenkleid schützte die Fische vor den Angriffen räuberischer Meeresreptilien, mit denen sie damals ihren Lebensraum teilten.

Die Schmelzschuppenfische waren mit den heutigen Knochenhechten verwandt und ernährten sich wohl hauptsächlich von Garnelen und anderen Krebstieren, was sich von ihrer Bezahnung ableiten lässt.

Die Bergung und vor allem die Präparation von Schmelzschuppenfischen erfordert einen großen Aufwand, viel Geduld und ein ruhiges Händchen.

In der Paläontologischen Sammlung des Naturhistorischen Museums befinden sich mehrere Exemplare von Schmelzschuppenfischen aus den eigenen Grabungen an den Geopunkten von Schandelah und Hondelage. Um die Präparationsarbeiten zu erleichtern, wurden mehrere Methoden getestet, mit denen man die anfangs noch vom Gestein umschlossenen Fische bereits im Vorfeld darstellbar machen kann. MRT und Röntgen erwiesen sich dabei als hilfreich, da man so den Verlauf der zarten Flossenstrahlen schon vor der Präparation erkennen an, was die mechanische Arbeit deutlich erleichtert.

Eine weitere derzeit in der Testphase befindliche Sondierungsmethode ist die „Spektrale Induzierte Polarisation“, kurz SIP. Im Rahmen seiner Bachelorarbeit untersucht Physikstudent Bastian Brömer vom Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik der TU Braunschweig, ob sich die Methode eignet, um pyritisierte Fossilien zu lokalisieren. Pyrit ist ein Eisensulfid, das sich während der Versteinerung eines Fossils an den Knochen anreichert.

Bei SIP-Messungen wird mithilfe vieler auf der Oberfläche des Gesteinsblocks befestigten Elektroden ein Wechselstrom in das zu untersuchende Material eingespeist. Aus den gemessenen Widerständen kann anschließend ein Modell des Untergrundes rekonstruiert werden. Da das pyritisierte Gestein andere elektrische Leitfähigkeiten als das umliegende Material besitzt und auch ähnlich einer Batterie Ladungen speichern kann, wird der pyritisierte Bereich und damit die Lage des Fossils im Modell sichtbar.

Bei der Messung in der Präparationswerkstatt konnte nun unter „Laborbedingungen“ bestätigt werden, dass die Lage eines pyritisierten Fossils tatsächlich mittels SIP messbar ist. In naher Zukunft werden weitere Messungen im Gelände bei den Grabungen in Schandelah und Hondelage folgen, um die Methode im Gelände zu testen.

Bei diesem kleinen Projekt liegen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sehr eng beieinander und können gemeinsam die Forschung an den fossilen Schmelzschuppern hoffentlich bereichern.

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