| Annika Fischer

Martha Fuchs

Ein außergewöhnlich politisches Leben

Beitrag zur Blogparade "Frauen und Erinnerungskultur"

Zum Ende der Blogparade #femaleheritage der Monacensia im Hildebrandhaus möchten wir die Aufmerksamkeit auf die politische Ebene lenken und an Braunschweigs Oberbürgermeisterin von 1959 bis 1964 erinnern: Martha Fuchs.

Die SPD-Politikerin agierte als Oberbürgermeisterin in der jungen Bundesrepublik in einer von Männern dominierten Umgebung. Die Problematik, immer wieder gegen Widerstände von Männern ankämpfen zu müssen, kannte sie da aus über 35 Jahren politischer Arbeit bereits bestens.

Kleiner Exkurs: Frauen sind in der Kommunalpolitik – wie auch in der Bundes- und Landespolitik –  auch heute noch massiv unterrepräsentiert. Der Anteil der Bürgermeisterinnen in Deutschland liegt nach einer aktuellen forsa-Umfrage bei lediglich 9 Prozent, in Städten mit mehr als 20.000 Einwohner*innen sind es sogar nur 6 Prozent. Im Braunschweiger Kontext sei verraten, dass Martha Fuchs nicht nur die erste, sondern bis heute auch einzige Oberbürgermeisterin der Stadt war. 

In Kontakt mit sozialdemokratischen Themen kam die am 1. Oktober 1892 in Grubschütz bei Bautzen geborene in der Gastwirtschaft ihres Vaters, in der sie abends aushalf – neben Schule, Haushalt und Betreuung ihrer vier jüngeren Geschwister, die sie als Älteste nach dem frühen Tod der Mutter übernahm. Hier hielt die SPD ihre Versammlungen ab und hier beschloss Martha Fuchs schon in jungen Jahren, an der Schaffung besserer Verhältnisse mitwirken zu wollen.

Mit der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland im November 1918 konnten auch Frauen politisch aktiv werden. Martha fuchs trat 1923 in die SPD ein, nachdem sie mit ihrer Familie (1919 heiratete sie Georg Fuchs, der drei Kinder mit in die Ehe brachte) nach Braunschweig gezogen war. Bereits zwei Jahre später wurde sie in die Braunschweiger Stadtverordnetenversammlung gewählt. Hier engagierte sie sich vor allem für den Bildungsbereich. 1927 zog sie in den Braunschweigischen Landtag ein (bis 1946 war Braunschweig noch ein selbstständiges Land mit eigener Landesregierung) – und blieb auch hier dem Thema Bildung treu.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verlor sie als mittlerweile prominente Sozialdemokratin nicht nur ihre Stelle als Gewerbeaufseherin, die sie nach dem Tod ihres Mannes 1930 angenommen hatte, um die Familie versorgen zu können, sondern auch ihre politischen Ämter. Ihre politische Arbeit verlegte sie in den folgenden Jahren in den Untergrund. Wiederholte Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Verhöre folgten. Infolge der Verhaftungswelle nach dem Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 wurde Martha Fuchs im Konzentrationslager Ravensbrück interniert. Kurz vor Kriegsende gelang ihr auf einem Überführungsmarsch die Flucht. Die schrecklichen Erfahrungen ihrer Lagerhaft schildert sie sehr eindrücklich in einem Bericht an ihre Tochter, der 1946 in der Emigrant*innen-Zeitschrift „La otra Alemania“ unter dem Titel „Ein ewiges Schandmal“ veröffentlich wurde.

Nach dem Ende der NS-Herrschaft nahm Martha Fuchs ihre politische Arbeit in Braunschweig ohne große Ruhepause wieder auf und hatte viel vor: „Ich habe die Bitternis des Lebens in dem rechtlosen Nazi-Deutschland kennengerlernt. Der Jugend zu einem besseren Deutschland zu verhelfen, soll meine mich voll erfüllende Aufgabe sein.“ (zitiert nach: Dertinger, Antje: Frauen der ersten Stunde. Aus den Gründerjahren der Bundesrepublik, Bonn 1989, S. 51.)

In den Folgejahren übernahm sie verschiedene politische Ämter, war u.a. als Braunschweigische Kultusministerin die erste Ministerin im westlichen Nachkriegsdeutschland. Im neu gegründeten Niedersachsen wurde sie 1947 Staatskommissarin für das Flüchtlingswesen – ohne eigenen Etat und politische Entscheidungsgewalt war die Aufgabe, die nach Niedersachsen kommenden Flüchtlinge angemessen zu versorgen, allerdings kaum zu erfüllen. Nachdem sie aus  gesundheitlichen Gründen das Amt 1948 abgeben musste, konzentrierte sie sich nach einer kurzen Erholungsphase vor allem auf die kommunale Ebene. Als Oberbürgermeisterin der Stadt Braunschweig ab 1959 nahm der Bereich Bildung wieder einen hohen Stellenwert für sie ein, sie förderte den Schul- und Wohnungsbau und trieb den Bau der Stadthalle voran. Mit dem Abriss der Ruine des Braunschweiger Residenzschlosses fiel ein folgenschwerer Ratsbeschluss in ihre Amtszeit. Ihrer Popularität hat dies keinen Abbruch getan, sie wurde 1961 in ihrem Amt bestätigt und 1964 Ehrenbürgerin der Stadt.

Mit Zielstrebigkeit, starker innerer Motivation und Durchsetzungsvermögen arbeitete Martha Fuchs als eine von wenigen Frauen auf politischer Ebene am Aufbau der Bundesrepublikanischen Gesellschaft  mit. Seit 2012 erinnert vor ihrem letzten Wohnort in der Comeniusstraße eine Gedenktafel an die engagierte Braunschweiger Politikerin.

"Ein Ewiges Schandmal" von Martha Fuchs in La otra Alemania

Teil 1 (wie oben im Text)
Fortsetzung
Fortsetzung 2
Fortsetzung 3
Fortsetzung 4
Fortsetzung 5

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