| Prof. Dr. Ulrich Joger

Museumsdirektor Ulrich Joger über Seekuh und Luchs

Neue Forschungserkenntnisse aus der Sammlung

Das Diorama mit dem letzten im Harz geschossenen Luchs und das Skelett der Stellerschen Riesenseekuh gehören zu den Highlights des Naturhistorischen Museums. Obwohl sie mittlerweile zu den Klassikern in der Ausstellung gehören und sich bereits seit dem Beginn des 19. Jhd. (Luchs) oder des 20. Jhd. (Seekuh)  in der Sammlung befinden, geben Sie doch neue Erkenntnisse frei.

Welche Untersuchungen wurden an dem Luchs und der Seekuh durchgeführt?

Es handelt sich um sogenannte paläogenetische Untersuchungen. Auch aus alten Knochen kann man mittlerweile DNA isolieren (wenn die Gewebe-Erhaltung gut ist). Dann kann man Jahrhunderte alte Exemplare mit heute lebenden Verwandten genetisch vergleichen.

Wieso wurden diese beiden Objekte ausgewählt?

Beide haben eine besondere historische Bedeutung: Unser Luchs war der letzte, der im Harz geschossen wurde. Danach war die Art 180 Jahre in Niedersachsen ausgestorben.

Die Stellersche Riesenseekuh ist als Art ganz ausgestorben.  Wir in Braunschweig haben das am besten erhaltene Exemplar außerhalb Russlands. Bevor wir unsere Dinosaurier ausgruben, war das Seekuh-Skelett das größte Tier im Naturhistorischen Museum (von Walen zeigen wir nur einzelne Knochen).

Wie wurden die Proben genommen?

Wir haben sterile Bohrungen in bestimmten Knochen durchgeführt und den Bohrstaub gesammelt. Aus ihm konnte DNA isoliert werden. Die genetischen Untersuchungen wurden in unserem Partnerlabor in Potsdam und im Senckenberg-Institut Frankfurt durchgeführt.

Was können Sie aus den Ergebnissen schließen?

Luchs:
Im Vergleich mit Proben von heutigen Luchsen aus ganz Europa (auch von den im Harz vor 20 Jahren wieder angesiedelten Luchsen) konnte gezeigt werden, dass unser Luchs den heute im Harz lebenden und den osteuropäischen Luchsen näher steht als den Alpenluchsen. Ohne die Genetik zu kennen, hat man sich also vor 20 Jahren für die „richtigen“ Luchse für die Wieder-Ansiedlung der Art entschieden.

Seekuh: Über die laufenden Untersuchungen darf ich noch nicht viel sagen. Nur so viel: Es geht  um die Evolution der Seekühe und darum, wie diese heute tropischen Tiere damals im kalten Beringmeer überleben konnten (also welche Anpassungen an das Klima vorlagen).

Gibt es Pläne für weitere solcher Untersuchungen an Museumsobjekten?

Wir arbeiten seit einiger Zeit an eiszeitlichen Knochen aus den Rübeländer Höhlen im Harz. Von ihnen haben wir sehr viele in unseren Sammlungen, und sie sind trotz ihres Alters von 30.000-45.000 Jahren noch gut erhalten. Von eiszeitlichen Leoparden gibt es schon interessante Ergebnisse.
Geplant sind Untersuchungen an alten Mäuseknochen, um die Herkunft von Viren zu studieren.

Zu den Objekten

Nachdem der Luchs nach 11-tägiger Treibjagd unweit des Teufelsbergs am 17. März 1818 erlegt worden war, gelangte er zunächst zum Standwundarzt Berger. Dieser nahm auch die Skelettierung und die „Ausstopfung“ vor. Erst im Folgejahr wurde verfügt, dass das Präparat am damaligen „Herzoglichen Kunst und Naturalienkabinett“ ausgestellt werden sollte. Seit dem Umzug in das Braunschweiger Schloss (1919/20) galt das Skelett als verschollen, aber die Knochen wurden kürzlich wieder aufgefunden. 1944 wurde dann das Präparat des Luchses aufgearbeitet, da es zuvor in keinem ausstellungswürdigen Zustand war, und im Diorama in Szene gesetzt. Die Wildkatze, mit der sich der Luchs das Diorama teilte, wurde in den 70ern entfernt, da sich diese beiden in der Wildnis nie so nah kommen würden. Ansonsten ist das Diorama noch im Originalzustand.

Die Stellersche Seekuh (Hydrodamalis gigas) wurde 1741 durch den deutschen Naturforscher Georg Wilhelm Steller entdeckt und wissenschaftlich beschrieben, war aber bereits 27 Jahre später ausgestorben. Die Population, die auf etwa 2.000 Tiere geschätzt wurde, war bereits bei ihrer Entdeckung auf die Küstengewässer der Beringinsel und Medneyinsel beschränkt. Dort wurden sie wegen ihres wohlschmekenden Fleisches Opfer von Pelz- und Robbenjägern. Das Skelett, das im Lichtsaal des Naturhistorischen Museums gezeigt wird, ist gut 7 m lang. Das Lebendmodell wird nur in halber Lebensgröße gezeigt.

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