| Barbara Hofmann-Johnson und Gaby Kuper

Nicht nur Braunschweig im Bild

Käthe Buchler und ihre Fotografien von der Heimatfront

Im Rahmen der von München aus gestarteten Blogparade #femaleheritage möchten wir auf die Amateurfotografin Käthe Buchler (1876-1930) aufmerksam machen, deren Wirken eng mit dem Land und vor allem der Stadt Braunschweig verbunden ist.

Buchler stammte aus großbürgerlichen, der Kunst- und Kultur zugewandten Verhältnissen und beschäftigte sich mit der Fotografie aus eigenem intensiven Interesse. Als „Amateurin“ brauchte sie mit dem jungen Bildmedium nicht ihren Lebensunterhalt verdienen, wenngleich sie nicht nur fotografierte, sondern ihre Negative und Positive auch selbst in einer zu Hause eingerichteten Dunkelkammer entwickelte. Technisches Wissen erlangte die Autodidaktin zusätzlich im Austausch mit dem Braunschweiger Berufsfotografen Wilhelm Müller und durch die von ihr besuchten Kurse der Photographischen Lehranstalt des Lette-Vereins in Berlin, eine der wenigen deutschen Einrichtungen, die Frauen in ihren Ausbildungskursen zuließen, so dass Frauen dort einen qualifizierten Abschluss als Fotografin erwerben oder aber, wie Buchler, technisches Knowhow erlernen konnten.

Nach Anfängen im Bereich der Malerei hatte sich Käthe Buchler ab 1901 intensiv der Fotografie zugewandt und fand ihre Motive zunächst vor allem im familiären Umfeld, auf Reisen und in der Umgebung Braunschweigs. Ab 1913 begann sie sich neben der Schwarzweißfotografie auch mit dem aufwendigen Farbbildverfahren der Autochrome auseinanderzusetzen, das zu Beginn des 20. Jh. von den Brüdern Lumière erfunden worden war. Stillleben, Landschaften und Porträts gehören hier zu den Themen der malerisch geprägten Farbbilder, während ihre Schwarzweißfotografien neben einem künstlerischen Sinn für Komposition eher eine dokumentarische Bildsprache aufweisen.

Mit Blick auf den fotografischen Nachlass von Käthe Buchler sind es vor allem die im Ersten Weltkrieg entstandenen Fotografien, die in den vergangenen Jahren durch unterschiedliche Ausstellungsprojekte und Forschungsthemen in das allgemeine Gedächtnis zurückgeholt wurden: Sie zeigen die „Heimatfront“ in Braunschweig – die Lazarette, Kinder, die für Abfall-Verwertungs-Sammelstellen Müll sammelten und Fürsorgeeinrichtungen sowie – bedeutsam auch im fotohistorischen Kontext  etwa zu August Sander - „Frauen in Männerberufen“. Selbstbewusst zeigt diese Werkgruppe, die bereits von Käthe Buchler so benannt wurde, Frauen, die als Schaffnerinnen, als Fensterputzerinnen, Briefträgerinnen und in weiteren Berufsfeldern die Aufgaben der sich an der Front befindenden Männer übernahmen.

Nach Kriegsende wandte sich Käthe Buchler, die erblich bedingt schon früh ihr Gehör verloren hatte, eher Themen aus dem privaten Umfeld oder Landschaftsmotiven sowie Reisebildern zu und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Nur noch einmal tritt sie mit Architekturfotos aus dem Braunschweigischen hervor, bevor sie 1930 überraschend stirbt.

In ihren unterschiedlichen Porträtfotografien tritt Buchler ihrem Gegenüber mit sehr viel Empathie entgegen. Doch trotz allem verlässt Buchler ihren bürgerlichen Wirkungskreis nicht: Die Frauenporträts der „Frauen in Männerberufen“ und der karitativ tätigen Frauen entsprechen dem wilhelminischen Ideal der fürsorglich-mütterlichen, der dienenden Frau; Grenzüberschreitungen und politisch motivierte fotografische Agitation gibt es bei Käthe Buchler trotz ihres sozialdokumentarischen Engagements nicht, sind ihre Fotografien eher aus einem bürgerlichen Verständnis heraus motiviert gewesen, das auf die Verbesserung der Gesellschaft und nicht auf deren grundlegende Veränderung hinarbeitet. Innerhalb dieses Anliegens entwickelt Käthe Buchler ihren dennoch künstlerisch und kompositorisch besonderen Blick auf ihr Lebensumfeld.

Der fotografische Nachlass von Käthe Buchler wurde 2003 von ihren Nachfahren dem Museum für Photographie Braunschweig als Schenkung übergeben und wird seitdem erforscht und mit Ausstellungsprojekten in Braunschweig und im In- und Ausland vermittelt. Als Depositum wird er im Stadtarchiv Braunschweig gelagert und parallel inventarisiert. Insgesamt handelt es sich um mehr als 1000 Glasplattennegative von Schwarzfotografien, etwa 330 Schwarzweiß-Diapositive, Planfilmnegative, Kontaktabzüge und Fotografien, dazu nochmals etwa 250 farbige Autochrome.

Seitdem finden Buchlers Fotografien wieder weithin Beachtung. Im Zuge des 100-jährigen Gedenkens an den Ersten Weltkrieg wurde ihr Werk beispielsweise umfangreich unter dem Titel „Beyond the Battlefields – Käthe Buchler’s Photographs of Germany in the Great War“ an mehreren Orten erstmals in Großbritannien präsentiert. Und in der dokumentarischen Fernsehserie zum Ersten Weltkrieg der ARD waren diese Aufnahmen ebenso zu sehen wie in einer Berliner Ausstellung zu Kriegsfotografinnen 1914-1945 oder in der Frankfurter Ausstellung zum Frauenwahlrecht.

Auch das Braunschweigische Landesmuseum besitzt mehrere Dutzend fotografische Abzüge aus den Serien der „Heimatfront“ und der „Frauen in Männerberufen“. Sie sind zumeist als Schenkung in den unterschiedlichsten Fotokonvoluten in den Bestand gelangt, viele von ihnen auch über den ersten Museumsdirektor Karl Steinacker (1872-1944), der vielleicht einige Abzüge direkt von Käthe Buchler erhalten haben könnte. In den Ausstellungen des Braunschweigischen Landesmuseums war sie immer wieder präsent, zuletzt in „1914 … schrecklich kriegerische Zeiten“. Zusammen mit dem Museum für Photographie ausgewählt, werden einige Aufnahmen zudem in der Ausstellung „Göttinnen des Jugendstils“ zu sehen, die demnächst in Amsterdam, 2021 in Karlsruhe und dann 2022 in Braunschweig präsentiert wird.

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