Das Herzog Anton Ulrich-Museum präsentiert vom 08. Dezember 2023 bis 07. April 2024 die Ausstellung „Naturtalent. 300 Jahre Pascha Weitsch“.
Die vom Ausstellungsteam um Kuratorin und Leiterin der Gemäldegalerie Dr. Silke Gatenbröcker konzipierte Schau widmet sich den herausragenden Naturdarstellungen von Pascha Johann Friedrich Weitsch (1723–1803). Mit ihr würdigt das Museum die Bedeutung des Künstlers für die deutsche Landschaftsmalerei des 18. Jahrhunderts. Im Fokus der Präsentation steht Weitschs Heimat, die sein künstlerisches Schaffen nachhaltig prägte. Besucher*innen erwarten Ansichten aus dem Harz, Braunschweig und Wolfenbüttel, aus dem Elm und der Asse in Gemälden, auf Porzellan sowie auf Papier.
Im Zuge der Ausstellungsvorbereitungen wurden, unterstützt von der Günter Kalkhof Stiftung Braunschweig, mehrere Gemälde des Braunschweiger Landschaftsmalers restauratorisch untersucht. Die Ergebnisse waren überraschend: Bei zwei Werken konnten durch den Einsatz modernster Technologien äußerst interessante Details wie z. B. Untermalungen und Pentimenti (Überarbeitungen des Künstlers) festgestellt werden. Verena Herwig, Leiterin der Abteilung Restaurierung am Herzog Anton Ulrich-Museum, ist begeistert von den neuen digitalen Technologien auf dem Gebiet der Restaurierung, die dem Museum seit 2021 zur Verfügung stehen. Damals konnte mit der finanziellen Unterstützung des Freundeskreises und mit Hilfe des Legats Günter Schilling, Peine, eine neue digitale Röntgenanlage angeschafft werden – die erste 3D-Anlage in einem europäischen Museum. „Dank solcher noninvasiver bildgebender Verfahren in der Restaurierung wie z. B. der Infrarotreflektografie und der digitalen Radiografie“, erläutert Herwig, „gelingt es schlicht, mehr Wissen durch ‚mehr Sehen‘ zu generieren.“ Für die Werke von Pascha Weitsch bedeuten diese Möglichkeiten nun einen beträchtlichen Erkenntnisgewinn.
Nächtliches Dorf mit brennendem Bauernhaus (um 1763)
Das Holztafelgemälde „Nächtliches Dorf mit brennendem Bauernhaus“ wurde erst 2020 mithilfe finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur erworben. Es handelt sich um das Gegenstück zu einer bereits im Herzog Anton Ulrich-Museum bewahrten „Mondscheinlandschaft“ von Weitsch. Das Gemälde stammt aus Schloss Langenstein bei Halberstadt, das zu Lebzeiten von Weitsch von Maria Antonia von Branconi, der Mätresse von Erbprinz Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Lüneburg, bewohnt wurde. Es ist anzunehmen, dass sie beide Bilder von Weitsch erworben hatte oder sie diese vom Herzog geschenkt bekam.
Die Überraschung war nun groß, als sich bei den Untersuchungen eine andere Bildkomposition unter der sichtbaren Oberfläche offenbarte. Die Infrarotaufnahme brachte am linken unteren Bildbereich ein Schiff mit gebrochenem Mast sowie weitere Schiffsteile zum Vorschein. Durch die Röntgenuntersuchung wurde diese Entdeckung bestätigt und erweitert. Sie machte Wellen am unteren Bildrand und einen Turm im Hintergrund des Dorfes sichtbar. Aufgrund der maltechnologischen Untersuchung ist davon auszugehen, dass der Künstler selbst die Anlage des Seestücks verworfen und übermalt hat.
Der Fund gibt wertvolle, neue Hinweise auf Weitschs intensive Auseinandersetzung mit der holländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts. Der Autodidakt bildete sich vor allem im Studium und im Kopieren der Alten Meister in der Salzdahlumer Gemäldegalerie zum Maler aus. Anscheinend beschäftigte er sich in seinem Frühwerk dabei auch mit Marinestücken, auch wenn dies in seinem erhaltenen Œuvre heute keinen Niederschlag mehr findet. Unter seiner Oberfläche verbirgt das Gemälde „Nächtliches Dorf“ also ein bislang unbekanntes Experimentierfeld des Künstlers.
Querumer Eichenwald (1792)
Auch bei dem Leinwandgemälde „Querumer Eichenwald“ wurden mithilfe der Infrarotreflektografie Pentimenti entdeckt. In der unteren Bildmitte war ursprünglich hinter den dargestellten Kühen eine nach links gewandte Frau zu sehen, die später jedoch übermalt wurde. Links hinter der Frauendarstellung ist schemenhaft eine ebenfalls übermalte männliche Figur zu erkennen, die am Stamm einer Eiche sitzt. Durch die Untersuchungsmethoden werden die „Handschrift“ des Künstlers und der Entwicklungsprozess seiner Bilder sichtbar gemacht. So kann den Spuren von Pascha Weitsch nachgegangen werden.
Die gewonnenen Erkenntnisse dienen dem Herzog Anton Ulrich-Museum darüber hinaus als Grundlage für zukünftige konservatorische und restauratorische Maßnahmen. Sie bieten Aufschluss über die in Art und Umfang einzigartige Sammlung des Museums von Werken des Künstlers Pascha Weitsch.
Glossar
Bei der Infrarotreflektografie werden die obersten Schichten eines Gemäldes, d.h. der Firnis sowie die Malschichten durchdrungen und der Blick auf die Grundierung wird frei. Man kann so beispielsweise vorhandene Unterzeichnungen oder Pentimenti (Veränderungen während des Schaffensprozesses) sichtbar machen. Es können auch frühere Ergänzungen oder Schäden ermittelt werden. Bei einem Leinwandgemälde von Weitsch wurden zwei Pentimenti sichtbar, die vom Künstler wieder übermalt wurden.
Bei der Röntgenuntersuchung durchdringen die Röntgenstrahlen das gesamte Gemälde, also nicht nur die aufgetragenen, einzelnen Bildschichten, sondern auch den Bildträger, d. h. eine Leinwand oder eine Holztafel. Hierbei wird die Strahlung von den einzelnen Materialien unterschiedlich stark absorbiert. Ein Detektor empfängt die Strahlung und über eine spezielle Software wird das Signal in ein digitales Röntgenbild umgewandelt. In einem Fall konnte somit eine übermalte Bildkomposition sichtbar gemacht werden.