Ein Werk, das Geschichte erzählt: Mit dem Gemälde „Abstrakter Kopf: Reife“ aus dem Jahr 1933 des russisch-deutschen Malers Alexej von Jawlensky erhält das Herzog Anton Ulrich-Museum ein herausragendes Beispiel der Klassischen Moderne als Dauerleihgabe.
Die eindringliche Komposition aus geometrischen Formen und warmen Farbtönen lädt dazu ein, innezuhalten und den Blick schweifen zu lassen.
Das Gemälde stammt aus Jawlenskys berühmter Serie der „Abstrakten Köpfe“, die zwischen 1918 und 1933 entstand. Das stilisierte Gesicht mit geschlossenen Augen wirkt ruhig, fast meditativ. Mit seiner leuchtenden Farbpalette aus Gelb, Orange, Rot und Braun erinnert es in seiner Ausdruckskraft an byzantinische Ikonen und zugleich an die künstlerische Aufbruchsstimmung zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Alexander von Jawlensky (1864 Torschok, Russisches Kaiserreich–1941 Wiesbaden), Abstrakter Kopf: Reife, 1933, Öl/Karton, Dauerleihgabe von Karen Haskel und Robert Forstenzer
© Herzog Anton Ulrich-Museum, Kathrin Ulrich
Hinter dem Gemälde steht eine bewegende Familiengeschichte: Karen Haskel und Robert Forstenzer, Nachfahren der jüdischen Kunstsammler Gustav und Lucie Forstenzer, stellen es dem Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung. 1988 erwarben sie das Werk in Erinnerung an die Zerstörung der Kunstsammlung ihrer Großeltern während der Reichspogromnacht 1938. In dieser Sammlung befand sich auch ein „Abstrakter Kopf“ von Jawlensky.
Auch ein Kapitel Braunschweiger Kunstgeschichte verbirgt sich hinter dem Gemälde. Die Familie Forstenzer war Teil des Freundeskreises von Käthe und Otto Ralfs, die 1924 die „Gesellschaft der Freunde Junger Kunst“ gründeten. Diese organisierte bis 1933 Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, zunächst im Herzog Anton Ulrich-Museum, später im Braunschweiger Schloss. Eine Weggefährtin aus diesen Kreisen war auch Galka Scheyer, die später in den USA als Kunstagentin die Gruppe „Die Blaue Vier“ vertrat – darunter auch Jawlensky.
Mit diesem Werk wird nicht nur ein bedeutendes Gemälde in Braunschweig präsentiert, sondern auch ein Stück kulturelles Erbe, das eng mit der Geschichte der Stadt und ihrer Kunstszene der Moderne verbunden ist.