| Gaby Kuper

Jugendstil-Windfang im neuen Gewand

2020 wurde eines der größten Objekte restauriert

Seit etwa zwei Jahren bereitet das Braunschweigische Landesmuseum gemeinsam mit dem Universitätsmuseum Allard Pierson in Amsterdam und dem Badischen Landesmuseum in Karlsruhe eine Ausstellung vor: Das Bild der Frau im Jugendstil – „Göttinnen des Jugendstils“. Das Braunschweigische Landesmuseum wird dafür eines seiner größten Objekte zur Verfügung stellen: den Windfang, also den Hauseingangsflur, des Fotografen Adolf Herbst (später Fotografen Oberst) aus Wolfenbüttel, von dem auch die Partner sofort begeistert waren.

Aber warum haben wir unseren Partnern gerade dieses Objekt angeboten?

Der Eingangsflur des Fotografen wurde 1901 (vielleicht auch schon 1891, so genau lässt sich die Datierung leider nicht mehr entziffern) komplett mit Jugendstil-Dekoration ausgestattet. Die zwei Hauptgemälde des Windfangs zeigen jeweils eine Frau als Allegorie – auf die alte Kunst der Malerei und auf die neue Kunst der Fotografie. Die Frauen stehen an einer Staffelei mit Pinsel und Palette bzw. neben einem Fotoapparat mit einem offenbar passepartourierten Fotoabzug in der Hand. Für das Bild der Frau im Jugendstil großartige Motive, zudem die modernen Frauen hier nicht mehr die enggeschnittenen Korsagen tragen, sondern sich in Kleidern präsentieren, die an die locker fallende Mode der Reformbewegung angelehnt sind.

Hier die weiteren nüchternen Fakten zum Windfang: Der Wolfenbütteler Fotograf Adolf Herbst hatte den Eingangsflur seiner Geschäftsräume und seines Ateliers in der Lange Herzogstraße 38 in der damals aktuellen neuen Kunstrichtung des Jugendstils gestaltet, ausgeführt durch den Wolfenbütteler Dekorationsmaler Heinrich Kindervater. Der Eingangsbereich hatte die Zeitläufte relativ unbeschadet überdauert. 1978 wurden die Gemälde dem Museum angeboten, als das Haus grundlegend entkernt und saniert werden sollte. Der damalige Gemälderestaurator Günter Ognibeni griff zu und überführte nicht nur die Gemälde sondern auch das Lambris (Wandpaneelen mit kleinen Jugendstilmalereien), die Doppelflügeltür zum Treppenhaus mit Oberlicht, die noch vorhandene der ursprünglich zwei Ladentüren und selbst Teile des Terrazzo-Fußbodens in die Sammlungen des Museums. Umgeben von Bauarbeiten, in der kalten Jahreszeit, baute er die genannten Elemente aus und machte sich dann noch auf die Suche nach den Spuren des Fotoateliers im ersten Stock des Hauses. Wandmalereien aus dem Atelierraum entdeckte er unter mehreren Schichten Tapete und konnte auch davon einige zentrale Elemente vor der Zerstörung retten, ergänzt durch Türen und Fenster des Raumes. Beides – Teile des Windfangs und Teile des Atelierraumes – wurden 1989 Bestandteil der Dauerausstellung des Museums im neu eröffneten Haus am Burgplatz. Allerdings wirkten die Elemente des Windfangs in der Ausstellung so, als seien sie eine einfache Wandverkleidung.

Zurück zum aktuellen gemeinsamen geplanten Ausstellungsprojekt: Der Windfang stellte das Museum aber gleichzeitig vor das Problem, wie in Zukunft damit umzugehen ist und wie er zukünftig präsentiert werden soll. Auf der Suche nach allen Elementen des Flures haben wir in den Sammlungen nicht nur die nicht ausgestellten Lambriselemente und Gemälde wiederentdeckt, sondern auch die oben genannten Türen und die Fußbodenfragmente. Schnell war klar: Die Raumwirkung muss wieder erzielt werden, wir bauen den Windfang in seiner Dreidimensionalität wieder auf und schaffen dafür eine auf- und abbaubare Unterkonstruktion, denn die beiden beteiligten Ausstellungspartner würden auch Teile des Windfangs ausstellen wollen. Wir haben die Unterlagen zum Abbau den Windfangs studiert, dreidimensionale sowohl analoge als auch digitale Modelle bauen lassen, Restauratoren gefunden, die die Arbeiten am Windfang übernehmen würden, Anträge geschrieben, Sponsoren begeistert und endlich mit den Restaurierungsarbeiten losgelegt. Begleitet haben das Projekt unsere Gemälderestauratorin Eleonore Lang und unsere Holzrestauratorin Tekla Krebs. Die Arbeiten durchgeführt haben die Braunschweiger Gemälderestauratorin Heike Billerbeck und die Bremer Werkstatt „Kossann & Melching restaurieren“ unter der Federführung von Karen Melching.

Nach der ersten Welle der Covid19-Pandemie und mitten in die Vorbereitungen für den Auszug des Museums hinein wurde der restaurierte Windfang im Juli zu einem Probeaufbau zurück ins Museum gebracht. Nun musste sich zeigen, ob die Maße der Gemälde exakt abgenommen worden waren, sonst würde die Unterkonstruktion mit allen Holzelementen nicht mit den Gemälden zusammenpassen. Zwei Tage wurde gewerkelt, geschraubt, gehämmert und gebunden – alles passt, die Restauratoren haben alles super vorbereitet und abgestimmt. Die letzten Retuschen können abgeschlossen werden. Und ein paar Fotos für den Amsterdamer Ausstellungskatalog schafften wir auch noch.

Fast zwei Jahre hat uns dieses Projekt bisher begleitet. Es ist im eigentlichen Wortsinn ein großes Restaurierungsprojekt, mit dem man nicht alle Tage zu tun hat – die Maße des Flures sind: Höhe 3,83 m, Breite 1,70 m, Länge 3,45 m, mit der Unterkonstruktion sind die Dimensionen noch größer: bei einer Höhe von 3,84 m eine Breite von 2,42 m und eine Länge von 3,70 m. Aber wir konnten dieses Projekt verwirklichen, wofür wir auch unseren Förderern, der Stiftung Braunschweiger Kulturbesitz (SBK), der Ernst von Siemens Kunststiftung sowie dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, danken, die die Restaurierung möglich machten.

Aber noch lässt er uns nicht los, der Windfang: Inzwischen ist er schon wieder abgebaut und gar nicht mehr komplett in Braunschweig – eine Wand wird in der Ausstellung „Godinnen van de Art Nouveau/Godesses of Art Nouveau“ (Göttinnen des Jugendstils) bei unserem Partner Allard Pierson in Amsterdam gezeigt werden. Der Eröffnungstermin 22.10.2020 musste allerdings wegen der zweiten Corona-Welle verschoben werden und findet nun wohl am 17. Dezember statt. Danach geht der Windfang ein weiteres Mal auf Reisen, wenn im Herbst 2021 die Ausstellung beim zweiten Partner in Karlsruhe zu sehen sein wird. Und im Herbst 2022 dann bei uns in Braunschweig. Und wer weiß, wie wir den Windfang später in die neue Dauerausstellung des Landesmuseums nach unserer Sanierung einpassen? Lassen Sie sich davon ab voraussichtlich 2027 überraschen.

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