| Sonngard Marcks

BLEIBT ANDERS

275 Jahre FÜRSTENBERG gesehen von Sonngard Marcks

Sonngard Marcks hat anlässlich des 275. Gründungsjubiläums der Porzellanmanufaktur Fürstenberg ein außergewöhnliches Kunstprojekt geschaffen: Die Intervention mit dem Titel BLEIBT ANDERS soll die Betrachtenden zu einem neuen Blick auf die Welt motivieren. Dabei vereint die Künstlerin in ihren Objekten Schönheit und Provokation. Dank einer Kooperation mit dem MUSEUM SCHLOSS FÜRSTENBERG ist ihre Tafelinstallation bis zum 23. Oktober 2022 im Herzog Anton Ulrich-Museum zu sehen.

Frau Marcks, wie kommen Sie zu Ihren Ideen?
 

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Meine Kunst zeigt, wie ich die Welt sehe. Das, was mich anregt ist das Leben generell und das, was mich umgibt. Einige machen das durch Texte und durch Töne. Das Zeichnen und die Keramik sind meine Art, mich mit der Welt auseinanderzusetzen.
 

Ich habe schon als Kind sehr viel gezeichnet. Mich faszinierte alles, was kreuchte, fleuchte und blühte.


Welche Inhalte möchten Sie mit Ihrer Kunst vermitteln?
 

Es geht mir um Sensibilisierung. Wir kommen ohne Schönheit nicht weiter. Jede Kreatur muss geschätzt werden. Dadurch gewinnen wir ganz viel für unser Leben. Das kann ich nicht beweisen, das ist meine Theorie.
 

Ich verwende sehr gern Schmetterlinge. Schmetterlinge sind unglaublich artenreich. Die Zusammenhänge der Reproduktion von Schmetterlingen sind unglaublich komplex. Und dennoch greifen wir so unbedacht in unsere Umwelt ein. Das ergibt doch gar keinen Sinn. Viele Zusammenhänge begreifen wir nicht. Aber sie könnten uns dazu ermutigen, einiges zusammen zu bewirken, was sonst nicht möglich wäre.
 

Und darauf möchte ich aufmerksam machen. Der Schmetterling steht für mich für Poesie, Metamorphose und Schönheit. Meine Provokation ist unterschwellig, aber durchaus da.
 

Kunst ist für mich aber auch Faszination. Ich entdecke jeden Tag etwas Neues. Das ist die tägliche Freude und diese möchte ich mit meiner Kunst transportieren. Aber die Kunst an sich kann letztlich nur weltliche Zustände widerspiegeln.

Welche Bedeutung hat die Porzellansammlung des HAUM für Sie?
 

Das ist für mich die nächste zugängliche Schatzkiste, in die ich schauen kann, wenn ich mal nicht weiterweiß. Alte Sammlungen schulen das Auge. Das Herzog Anton Ulrich-Museum ist ein Ort, an dem ich mich immer wieder an der Kunst und dem Handwerk erfreuen kann und an dem ich immer lernen kann. Ich brauche die Reibung mit den Besten – um nicht selbstgefällig zu werden. Meine Lehrerin Heidi Manthey hat uns immer in die Porzellansammlungen mitgenommen und ich habe sehr davon profitiert. Man muss den Willen erlernen, sich selbst ständig zu hinterfragen. Wenn man das nicht begreift, fährt man sich fest.
 

Das Museum ist eine Augenweide, ein Augenschmaus, die Lust des Sehens. Eine Reminiszenz vor der unglaublichen Qualität und des Staunens vor dem Menschen, das ist ein Schatz und wir sollten nicht verlernen, uns den Feinheiten zu stellen.

Wie sind Sie zur Keramik gekommen?
 

Ich bin in Halle zur Schule gegangen. Dort gab es die Moritzburg, das Kunstmuseum. Kunst und Kunststudent*innen gehörten zum Stadtbild. Ein buntes Völkchen in einer sonst so tristen Umgebung. Meine Zeichenlehrerin hatte mich ermutigt, dort hinzugehen. Ich musste eine Aufnahmeprüfung machen, darauf war ich nicht vorbereitet. Und ich wurde genommen, meine Freundin aber nicht. Deshalb habe ich noch einen zweiten Zeichenkurs gemacht, mit ihr zusammen.
 

Aber die Menschen haben mich fasziniert. In der 10. Klasse habe ich mich dann beworben. Die Chance auf ein Kunststudium war sehr gering, weshalb ich mich schon früher beworben habe – für Malerei. Da hat man mich nicht genommen.
 

Ich war zunächst sehr niedergeschlagen. Aber der Dozent, der den Künstlerzirkel geleitet hat, hat mich ermuntert, weiterzumachen und Kunst abseits der Malerei zu studieren. Die Werkstätten der Burg befanden sich in der Unterburg. Da habe ich mich umgesehen – und vor der Keramik fand ich es besonders schön. Ich war fasziniert vom Werkstoff.
 

Wenn man sich dafür entschied, Kunst zu studieren, musste man vorher eine Berufsausbildung machen. Ich habe also die Töpferei, eine Technik zur Herstellung von Keramik, gelernt. Dann habe ich mich beworben, ganz mutig in der 11. Klasse, habe den Studienplatz bekommen und das Burgleben begann.
 

Mir hat das Lernen in der Schule immer richtig Spaß gemacht. Und auf einmal wurde ich mit etwas konfrontiert, was man nicht allein mit dem Kopf regeln kann. Das war eine einschneidende Umstellung. Bei aller Faszination fiel mir das gar nicht so leicht. Aber mein Ehrgeiz war geweckt.
 

In dieser Zeit und sogar bis zum Ende des Studiums hatten wir auch einen Tag in der Woche Zeichenunterricht. Dazu kam das plastische Grundlagenstudium. Es existierte keine Trennung zwischen den Bildhauern und Malern. Wir lernten das Zeichnen von der Pike an, auch samstags.

Wie ist der Weg von der Idee zum fertigen Kunstwerk?
 

Ich habe die Idee im Kopf und dann zeichne ich. Ich zeichne und zeichne und daraus entwickle ich dann Keramik. Dafür habe ich die Arten des Dekors sehr ausgiebig studiert. Für die Verknüpfung von Malerei und Plastik sind die Entwürfe und die Zeichnungen unerlässlich. Und so entwickele ich zunächst Motive durch einzelne Zeichnungen, die anhand der Plastizität nicht eins zu eins auf der Keramik aufgearbeitet werden.
 

Aus der keramischen Arbeit und der Vorarbeit haben sich ab und an auch eigenständige Zeichnungen entwickelt, die nicht eins zu eins übernommen worden sind. Ich habe ganz viele Skizzenbücher – auch mit Ideen, die noch nicht umgesetzt wurden.
 

Im Fundus der Manufaktur Fürstenberg konnte ich mir vieles anschauen, darunter auch einige „Scheuselchen“. Aber ich habe die Dinge für mich entdeckt und daraus Ideen entwickelt. Dabei konnte ich auch auf Ideen von kreativen Freunden zurückgreifen. Die Herausforderung, aus diesen vielen Einflüssen etwas Eigenes zu entwickeln, reizte mich. Provokation und Abenteuer – ich liebe es.

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