| Robert Hintz, Silke Rutz

Challenge accepted

Ein Museum zieht um!

Das Vieweghaus wird seit über 35 Jahren als Museum genutzt. Über die Jahre wuchsen die Sammlungen, die Anzahl der Sonderausstellungen stieg. Aus Gründen der Nachhaltigkeit lagerte das Braunschweigische Landesmuseum Architekturelemente und Materialien vergangener Ausstellungen vor Ort und nutzte diese mehrfach. So begab es sich, dass das Museumsgebäude bis in den letzten Winkel genutzt wurde. Als die Entscheidung fiel, dass das Vieweghaus für die Gewährleistung eines zeitgenössischen Museumsbetriebes grundlegend saniert werden muss, begannen die Planungen für den Auszug aus dem Gebäude – eine Challenge für das gesamte Team des Braunschweigischen Landesmuseums.

Die Vorbereitungen für den Auszug des Museums haben parallel zum laufenden Betrieb bereits Ende 2018 begonnen. Nach der Landesausstellung „Saxones. Das erste Jahrtausend in Niedersachsen“ (September 2019 – Februar 2020) wurde das Vieweghaus für die Öffentlichkeit geschlossen.

Im Interview berichten die Kolleg*innen Silke Rutz (SR), Koordination Innerer Dienst & Liegenschaftsverwaltung, und Robert Hintz (RH), Registratur und Sammlungsverwaltung, aus ihren Aufgabenbereichen über erste Schritte und letzte Taten.

Der Umzug eines ganzen Museums ist ein ziemlicher Kraftakt. Insbesondere der Transport von Sammlungsobjekten will sorgfältig geplant werden. Welche Vorbereitungen musstet ihr für den Aus- bzw. Umzug treffen?

SR:
Als erstes mussten wir uns darum kümmern, dass wir genügend Manpower vorhalten konnten, was zu Zeiten der Pandemie nicht ganz so einfach war. Es erforderte sehr viel Koordinierungsarbeit, dafür zu sorgen, dass sich die Firmen nicht gegenseitig bei ihren Tätigkeiten behindern. Dementsprechend sorgfältig mussten die Termine abgestimmt werden.

RH: Es gab im Vieweghaus viele kleine einzelne Magazinräume, in denen die Objekte teilweise offen in den Regalen lagerten. Diese wurden zum großen Teil erstmalig und nach den heutigen musealen Standards sicher verpackt. Dies erleichtert die zukünftige Handhabung der Sammlungsobjekte ebenfalls enorm. Darüber hinaus wurden sukzessive sowohl die Dauerausstellungs- als auch die Sonderausstellungsräume geschlossen, geräumt und als Zwischenlagerort für den Umzug genutzt.

Weiterhin musste natürlich auch der neue Zielort, nämlich das neue Grüne Zentraldepot, bereit und mit Lagertechnik wie Regalsystemen und Gitterwänden etc. eingerichtet sein.

Die Vielzahl der Aufgaben erforderte sicherlich auch den Einsatz von Spezialist*innen. Welche Gewerke haben hier über den Lauf der Zeit gewirkt?

SR:
Von meiner Seite aus kann ich sagen, dass es da vielfach um das „Grobe“ ging, darum, die übrig gebliebenen Massen wie z. B. alte Regale, Elemente veralteter Ausstellungsarchitektur und Büromöbel zu entfernen.

RH: Neben den Mitarbeiter*innen des Braunschweigischen Landesmuseums, also vor allem den Restaurator*innen und der Sammlungsverwaltung, brauchte es außerdem externe Restaurator*innen und Hilfskräfte zum Einpacken von mehreren hunderttausend Objekten, sowie spezialisierte Kunsttransport-Unternehmen, die die verpackten und gesicherten Objekte auf Paletten und anderen Transportvorrichtungen verbrachten.

Welche Herausforderungen haben sich während des Umzugs für euren speziellen Tätigkeitsbereich ergeben?

SR:
Trotz guter Planungen: das Zeitmanagement… Die Kolleg*innen in den verschiedenen Bereichen waren aufgrund der Vielzahl der Objekte und mancher nicht einkalkulierter Barrieren das eine oder andere Mal in Verzug beim Einpacken.

Wenn bspw. ein Tisch nicht durch die Türöffnung passte, hat das den ganzen Betrieb aufgehalten. Da wir jedoch aufgrund von Anschlussterminen unter Druck standen, mussten wir einvernehmlich und zeitnah gute Lösungen finden. Dabei hat es enorm geholfen, einen kühlen Kopf zu bewahren, um das Unmögliche möglich zu machen.

RH: Am interessantesten war es, logistisch den Überblick zu behalten. Das betraf sowohl die zu verpackenden einzelnen Objektkategorien, als auch die Zwischenlagerung der gepackten Paletten. Der Transport selbst sowie die kontinuierliche Einbringung der Objekte am neuen Ort, also im grünen Zentraldepot in die neuen Regale, war gleichermaßen spannend.

Als kleiner Ausblick auf die zukünftige Arbeit: Hier wird sich nun eine Inventur anschließen, bei der wir uns die Sammlungsobjekte nochmals an ihrem Standort ansehen und Daten wie z. B. Maße, Datierung, Zustand, Beschreibung, etc. in der Datenbank systematisch überprüfen.

Das Braunschweigische Landesmuseum ist stets darauf bedacht nachhaltig zu handeln. Was bedeutete das für den Umzug?

SR:
Wir haben z. B. diverse Gegenstände zur Wiederverwertung gegeben (Holz, Metall usw.), sodass wieder neue Sachen entstehen können. Darauf legten wir während des gesamten Prozesses sehr großen Wert. Viele Einbauteile wie z. B. Ausstellungswände wurden wiederverwendet: Im Familienmuseum in St. Ulrici-Brüdern wurden damit die Einbauten für unsere Ausstellung „Bruneswic anno 1221“ angefertigt.

RH: Wir haben bspw. Verpackungsmaterial wie Paletten, Seidenpapier, Schaumstoff, Schrauben etc. mehrfach verwendet und werden dieses Material auch zukünftig aufheben, um es weiter zu verwenden. Teile des Verpackungsmaterials haben wir im April 2022 an das World Heritage Watch-Programm zur Unterstützung der Evakuierung ukrainischer Museen und Objekte gespendet.

Darüber hinaus ist das grüne Zentraldepot energetisch sehr sparsam zu betreiben. Das war uns von Anfang an sehr wichtig: Es ist keine aufwändige Vollklimatisierung eingerichtet worden, sondern es reichen wenige einzelne Geräte, um das optimale Klima für unsere Sammlung zu gewährleisten. Fun fact: Unsere elektronisch fahrbare doppelgeschossige Regalanlage, sog. TwinSpace-Anlage, verbraucht bspw. weniger Strom als ein haushaltsüblicher Haarföhn.

Am 23.12.2021 war es endlich soweit: Das Vieweghaus war leergeräumt und bereit für die Sanierung. Wie habt ihr den Überblick über das Prozedere behalten? Gab es Meilensteine, die euch motiviert haben?

SR:
Wir haben einen gemeinsamen Kalender geführt, wo wir alle Termine eingetragen haben. Des Weiteren haben wir uns stetig ausgetauscht. Mich persönlich hat es motiviert zu sehen, wie sich die Räume geleert haben. Zu wissen, dass man seine Aufgaben erledigt hat und alle zufrieden sind, ist ein gutes Gefühl. Wir alle haben auch bei diesem Arbeitsaufkommen den Humor nicht verloren. Mein Dank gilt allen Beteiligten, die bei dieser Aktion mitgeholfen haben. DANKE, ihr seid großartig!

RH: Der erste Meilenstein war der richtige Sammlungsumzug im Jahre 2020, bei dem in sechs Wochen ein Großteil der Objekte umzog - sicher auf Paletten gepackt und in Kartons verwahrt. Ein weiterer Meilenstein folgte, als die „restlichen‘“ Großgemälde zwischen September bis einschließlich November 2021 verbracht und an den Gitterwänden aufgehängt wurden.

Und dann dürfen bei dieser Nennung natürlich nicht der 1,5 t schwere und knapp 4 m hohe sog. Eiserne Heinrich (siehe Blogbeitrag „Der Eiserne Heinrich“) und der Transport eines Trabis im Vieweghaus im Treppenhaus fehlen!

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